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Leitartikel - Zeichen der Zeit


24. Januar 2004


"Krieg ist ein soziologisches Sicherheitsventil, daß den populären Hass auf die führenden Klassen, geschickt in eine glückliche Gelegenheit, ausländische Feinde zu verstümmeln oder töten, umlenkt." - Ernest Becker.

Obwohl es in unserer westlichen Gesellschaft keine organisierte und weit verbreitete Bewegung gibt, die "den populären Hass auf die führenden Klassen" propagiert (die "führenden Klassen" haben den Rest von uns effektiv überzeugt, daß sie in einer Demokratie nicht mehr vorhanden sind), könnte man aus gutem Grund darauf hinweisen, daß Krieg schon immer wurde und weiterhin von den "führenden Klassen" der heutigen modernen Zeit dazu verwendet wird, die öffentliche Aufmerksamkeit nach außen und von jeglichen fragwürdigen Aktivitäten oder Fehlverhalten des Staates abzulenken. Es gibt keine empirischen Beweise, daß dies eine offensichtliche Absicht derjenigen die Krieg führen ist, das durch den Krieg erweckte automatische Anschwellen des Nationalismus und des nationalen Stolzes jedoch, nützen den "Mächten die sind". Vielleicht ist es ein wenig naiv zu denken, daß dieser Aspekt nicht zumindest ein Teil des Grundes ist, sich zu entscheiden Krieg zu führen. Es wurde festgestellt, daß Kriege schon viele Regierungen vor dem bevorstehenden Wahlverlust gerettet haben. Vor den Paukenschlägen für einen Krieg gegen Saddam, wurde die Bush-Administration unter anderem durch den Enron-Skandal, durch einen von der Industrie erzeugte "Energieverknappung" in Kalifornien, durch die geheimen Verhandlungen von VP Cheney mit den US Öl- und Gasfirmen beim Ausarbeiten der US-Energiepolitik und durch den Bankrott von WorldCom heimgesucht.

Wer spricht heute noch von diesen Dingen?

Das Problem das uns hier jedoch beschäftigt, ist der Einfluss der Formung der Massenwahrnehmung nicht auf das kollektive Bewusstsein, sondern auf die individuelle Wahrnehmung seiner/ihrer selbst.

Das Erzeugen eines ausländischen Feindes ist für die Regierung nützlich, weil es sehr direkt die Wahrnehmung einer äußeren Bedrohung für "die Nation" erzeugt. Eine solche Bedrohung erzeugt in der öffentlichen Wahrnehmung ein "uns versus sie", mit "uns" als Helden von allem was gut ist, und "sie" als Verkörperung des Bösen. Die verschiedenen Ansprachen von George Bush über den aktuellen "Krieg gegen Terror" sind voll von Referenzen auf Gut und Böse, und deuten darauf hin, daß die aktuelle US-Regierung und sehr wahrscheinlich alle Regierungen sich den Vorteilen, die sich aus dieser subtilen Programmierung der Bevölkerung ergeben, sehr wohl bewußt sind. Regierungen und "leitende Klassen", Wesen aus dem regierenden Stamm, machen was sie wollen, und es liegt nicht im Zuständigkeitsbereich der Bevölkerung zu versuchen die etablierte Ordnung zu ändern. Wie schon viele beobachtet haben, bekommen wir die Regierungen die wir verdienen.

Anstatt auf politischer Ebene zu arbeiten, um die Regierungen oder die Strukturen der Gesellschaft zu verändern, denken wir, daß es besser ist die Natur der Regierung und der Gesellschaftsstrukturen zu beobachten und zu verstehen.

Wichtiger und subtiler ist, daß die nach außen gerichtete öffentliche Aufmerksamkeit nationaler Grössenordnung, sehr oft auf persönliche Ebene hinunter sickert und sehr einschränkende Wirkung auf die Infragestellung eines Individuums in Bezug eines möglichen "Fehlverhaltens" (des Staates) haben kann, auch im Sinne wie sie ihr Leben führen sollen, und wie die Überzeugungen und Moral dieses formulieren. Wenn Leute ermutigt werden zu glauben, daß sie kollektiv als Nation auf der Seite dessen sind, was gut und bekömmlich ist, so wird natürlich jeder im Kollektiv dazu geführt der Überzeugung zu sein, daß in ihren persönlichen Leben alles so ist wie es sein soll. Der Hauptbestandteil welcher sicher stellt, daß dieses irrige Denken auf beiden Ebenen Nahrung findet, ist das starke, angeborene und meistens unbewusste Verlangen unter den Menschen zu glauben, daß deren subjektives Verständnis der Realität akkurat ist, daß die anderen im Fehler sind, daß der Feind immer ausserhalb und nie innerhalb ist, und daß alles andere sich ändern muss, um sich der persönlichen Sichtweise anzupassen.

Die Wahrheit ist jedoch, daß der Feind innerhalb von uns ist, und daß wir es nicht zulassen dürfen, daß unsere Aufmerksamkeit auf der Suche nach einer Antwort unserer persönlichen Problemen und den Problemen dieser Welt, nach aussen gerichtet wird. Die Antwort zu diesen Problemen wird nicht gefunden, indem man ausländische oder sogar inländische Regierungen stürzt, sondern indem man die langsame und vorsätzliche Arbeit beginnt, die schliesslich im Sturz der inneren, subjektiven und zusammenziehenden Natur, die wir als Menschen alle teilen, kumuliert.

Um die obigen Worte von Becker anders auszudrücken, Kriege und das Erschaffen von äusseren Feinden kann als persönlicher, sicherer Wert verwendet werden, der geschickt von jeglicher Chance der Introspektion und der objektiven Selbstreflexion, und der Gelegenheit unser heiliges, illusorisches Verständnis, wer wir sind und wo unser Platz in dieser Welt liegt, ablenkt. In Tolstoy's "Der Tod von Ivan Illych", sinnt Illych über sein Leben, und einer Vergangenheit der Anpassung an soziale Werte und Normen, nach:

"Was ist wenn mein Leben falsch gewesen war?" Es fiel ihm ein, daß das was ihm immer als völlig unmöglich erschienen war, nämlich daß der Gedanke, daß er sein Leben nicht so gelebt hatte, wie er es hätte tun sollen, vielleicht doch wahr wäre. Es fiel ihm ein, daß die kaum wahrnehmbaren Impulse, die er sofort unterdrückte, das Richtige gewesen sein könnte, und der Rest falsch, all seine professionellen Aufgaben und die ganze Anordnung seines Lebens und von seiner Familie und alle seinen sozialen und offiziellen Interessen könnten falsch gewesen sein. Er versuchte alle diese Dinge vor sich selbst zu verteidigen und spürte plötzlich die Schwäche dessen, was er verteidigte. Es gab nichts zu verteidigen..."


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